
„The Boy With No Name“ baut konsequent auf dem bisher erschienenen Travis-Werk auf. Nur „12 Memories“ bleibt, wie auch hier im Bild, etwas links liegen.
Auf die lads ist eben Verlass: Travis melden sich mit dem mittlerweile fünften Longplayer „The Boy With No Name“ zurück, der natürlich wieder ein Meisterwerk ist. Naja, zumindest fast. Eine Live-Besprechung, synchron beim Hören notiert.
Play! Los geht’s mit 3 Times And You Lose. Der melancholische Opener. Beginnt leise, steigert sich dann etwas und klingt im Refrain wie „Magic Pie“ von Oasis auf Be Here Now. Dann aber poltert Selfish Jean im „Lust for Life“-Rhythmus los, großartig! Fran schreit sich die Seele aus dem Leib, wie er es zuletzt nur bei „Good Feeling“ tat. Aufdrehen!
Es folgt: Closer, die aktuelle Single (mit dem Ben-Stiller-Video), standesgemäß von einem mccartney’schen (Wald-?)Horn eingeläutet. Ein patentierter Radio-Hit von der Sorte, die Travis am Fließband komponieren könnten. Auch vertreten: einlullende Streicher zum Ersten. Erstmal wachen wir aber wieder auf, und zwar zu Big Chair. Ein überraschend düster wirkendes Bass-Intro, gefolgt von Klavier, erinnert an „12 Memories“ – was die einzige Reminiszenz an den Vorgänger bleiben wird. Fran singt: „You know that I heart you“, im Booklet steht an der Stelle ein Herz – und wie befürchtet nimmt jetzt auch der Kitsch bedenkliche Ausmaße an.
Battleships, ein recht naives Liebeslied, ist für meinen Geschmack etwas zu sehr gesäuselt und insgesamt eher langweilig. Erst beim folgenden Eyes Wide Open darf Neil Primrose wieder in die Bass drum stampfen, und zur Trauer („I can’t stop crying…“) mischt sich Wut („…with my eyes wide open“), die dem Stück einen gesunden Auftrieb gibt. Jetzt sogar Gitarrensoli! Hätte länger sein dürfen!
Schon geht’s aber munter weiter. Bei My Eyes klimpert das Klavier, und Fran hat „fear of dying“; außerdem einlullende Streicher zum Zweiten. In One Night dann scheitert der Versuch des mehrstimmigen Harmoniegesangs kläglich; zu viel Produktion. Aber was ist das? Under The Moonlight kommt unvermittelt ein Kracher daher, der aus den goldenen „The Man Who“-Zeiten stammen könnte: prächtige Akkorde, eine schöne Bridge und auch der Text ist nicht als misslungen zu bezeichnen. Darf gerne zweite Single werden!
Out In Space dagegen begibt sich auf gefährliches Terrain. Eine Pauke lässt den noch in Moonlight-Harmonien schwelgenden Rezensenten zusammenzucken. Ansonsten aber eher vernachlässigbar. Wurde von der Prog-Rock-Zusammenarbeit mit Brian Eno, von der Fran in der aktuellen Intro berichtet, kein Stück übernommen (wofür wir dankbar sind!), so ist Colder das am ehesten damit in Zusammenhang zu bringende. Undefinierbare Flächensounds zwingen unweigerlich den Coldplay-Vergleich auf. Was schlechterdings zu bestätigen ist. Eigentlich kein schlechter Song, aber viel zu überproduziert, wofür allein die Tabu-Harfe am Schluss Pate steht.
Jetzt noch der Rausschmeißer New Amsterdam: man wirft einen gewissen „Robert Zimmerman“ in die Runde (kann ja nicht schaden) und erzählt von den Straßen New Yorks; aber warum um Himmels willen singt Herr Healy denn gerade hier so gequetscht? Die dezente Instrumentierung macht das zum Glück wieder wett. Und setzt einen harmonischen Schlusspunkt für ein Album, das gewiss nicht das oben verkündete Meisterwerk-Versprechen einlöst, aber die leider zu verzeichnenden Tiefpunkte durch ein paar richtig ordentliche Songs wieder gut macht. „The Boy With No Name“ schließt nach dieser Lesart nahtlos an den Travis-Kanon an – Kurve gekriegt, Glückwunsch. Und richtig böse sein kann man den lads ja sowieso nicht.